Motiviert durch die Erfolge meiner Kinder im Rechtschreibunterricht habe ich auch im Bereich Aufsatz neue Wege gesucht und ein Konzept erarbeitet, mit dem die Kinder bisher sehr erfolgreich arbeiten. Das ermutigt mich, Ihnen dieses Konzept zu erläutern und anzubieten.
Der Gedanke und Leitfaden meines Konzeptes ist der folgende:
So wie Kinder in erster Linie durch Adaption das Sprechen lernen, möchte ich ihnen die Möglichkeit geben, auch den schriftlichen Sprachgebrauch in großen Bereichen durch Adaption zu erlernen.
Daher präsentiere ich den Kindern dieselbe Geschichte immer wieder aus verschiedenen Blickwinkeln. Sprachlich anspruchsvoll dargeboten, hat jede Variante genau das eine sprachliche Manko, an dem wesentliche Fertigkeiten erarbeitet und geübt werden. Die ansonsten gute Vorgabe soll – so hoffe ich – Eingang finden in das Unterbewusstsein der Kinder und eines Tages von dort erinnerbar und abrufbar sein. Mehr noch, im Idealfall gelingt der Transfer verinnerlichter Erzählstrukturen auch auf neue Inhalte.
Um das zu ermöglichen, habe ich eine Bezugsperson und eine Rahmenhandlung gewählt, die meine Kinder berühren. Ein Teddy geht bei einem Picknick verloren und verbringt die Nacht im Wald.
Aufsatzübung 1 – Hier fehlt doch etwas
Erstes Ziel meines Konzeptes ist es, die Kinder für die Vollständigkeit eines Satzes zu sensibilisieren. Schreibanfänger verlieren beim Notieren ihrer Gedanken oft den roten Faden und vergessen Verben oder andere, für das Satzverständnis wesentliche, Angaben.
Hier ein typisches Beispiel:
Auf dem Flohmarkt haben Mama und ich eine Lampe, eine Tischdecke und eine super Garage für meine Autos und wir haben da noch Waffeln gegessen.
Die Aufsatzübung 1 umfasst 9 Übungen. Die Kinder lernen, fehlende Angaben zu identifizieren und zu ergänzen. Dies tun sie an vier kleinen Märchentexten, welche im Anschluss jedes Mal abgeschrieben werden.
Zur Vollständigkeit eines Satzes gehören auch Satzschlusszeichen. Schritt für Schritt werden die Satzschlusszeichen „Punkt, Ausrufezeichen und Fragezeichen“ erarbeitet. Dies geschieht an Redewendungen und Sätzen, welche die Rahmengeschichte „Teddy im Wald“ aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Am Ende der Arbeitsblattserie steht der erste bewertete „Aufsatz“.
Die Kinder erhalten einen rudimentären Text. Dieser beschreibt die Geschichte des Teddys bis zu dem Moment, an dem er verloren geht. Die Kinder markieren fehlende Wörter durch ein Auslassungszeichen, ergänzen passende Wörter an diesen Stellen und setzen die Satzschlusszeichen. Anschließend übertragen sie den so überarbeiteten und aufgewerteten Text in ihr Aufsatzheft.
Bewertet habe ich diesen ersten Aufsatz nach folgendem Raster:
Aufsatzübung 2 – wechselnde Satzanfänge
In der zweiten Arbeitsblattserie erarbeiten die Kinder wechselnde und passende Satzanfänge. In kleine Märchentexte kleben sie vorbereitete Satzanfänge. Diese Variante (vorgegebene Satzanfänge werden ausgeschnitten und können variabel im Text aufgelegt werden) ermöglicht eine intensive Auseinandersetzung mit der sprachlichen Gestaltung eines Textes. Die Kinder variieren die Position aller Satzanfänge in allen Sätzen so lange, bis der Text für sie am besten klingt. Erst dann kleben sie die Satzanfänge auf und schreiben den überarbeiteten Text in ihr Heft. Im Folgenden lernen die Kinder, dass Satzanfänge verraten können, wer etwas tut, wann etwas geschieht und wo etwas geschieht. Eine Wörterwolke mit Satzanfängen zur Teddygeschichte wird nach diesen Kriterien geordnet und sortiert. Für die Hand der Kinder habe ich einen Satzanfangsfächer gestaltet, der den zeitlichen Aspekt eines Satzanfanges beinhaltet.
Mit diesem überarbeiten die Kinder sprachlich anspruchsvolle Varianten der Teddygeschichte, deren Manko langweilige Satzanfänge sind. Außerdem ergänzen sie fehlende Wörter oder Satzteile und passende Adjektive.
Im Rahmen dieser Arbeitsblattserie üben die Kinder an unterschiedlichen Teddytextvarianten die Unterscheidung von Satzanfängen nach Ortsangaben, Personenangaben bzw. Zeitangaben.
Im zweiten bewerteten Aufsatz unterscheiden die Kinder Satzanfänge farbig nach Ort- Zeit- und Personenangaben, ordnen sie einer weiteren Variante des Teddytextes zu und ergänzen diesen durch den Einsatz passender Adjektive und Satzschlusszeichen. Im Gegensatz zu den Satzanfängen sind die Adjektive nicht vorgegeben und müssen selbst gefunden werden. Abschließend wird der überarbeitete Text abgeschrieben.
Die Kinder haben für diese Aufgaben eine bis zwei Schulstunden benötigt. Erst am nächsten Tag haben sie ihren Text noch einmal überprüft und abgeschrieben.
So wurde der zweite Aufsatz bewertet:
Aufsatzübung 3 – jetzt wird es spannend
Am Ende der dritten Arbeitsblattserie sollen die Kinder ihren ersten frei formulierten Aufsatz schreiben. Der erzählerische Höhepunkt wird durch ein Bild vermittelt. Teddy liegt im nächtlichen Wald und ein Wolf schnüffelt an ihm herum. Diese Szene gilt es, spannungsvoll aufzuschreiben.
Darauf bereiten die Arbeitsblätter dieser Serie vor. Angst kann man sehen, fühlen und/oder hören. Damit lässt sie sich in einem Aufsatz gut beschreiben. Um sich den Beschreibungen angstvoller Zustände zu nähern, lernen die Kinder, sie nach den obigen Merkmalen zu unterscheiden. Dafür kleben sie Symbole (Augen – sehen, Ohr – hören, Herz – fühlen) vor Sätze, welche Angst beschreiben. Im Folgenden erinnern sich die Kinder an Situationen, in denen sie selbst Angst hatten. Außerdem ordnen sie Angstreaktionen des Körpers den passenden Körperregionen zu. Z.B.
Meine Knie begannen zu zittern.
Auf meinen Armen bildete sich eine Gänsehaut.
Auch in dieser Serie werden die Kinder zurück zur Teddygeschichte geführt. Sie stellen sich seine Situation im Wald vor und überarbeiten eine neue Textvariante. Der Text ist so aufgebaut, dass einer Beobachtung des Teddys stets eine sichtbare, hörbare oder fühlbare Angstreaktion folgt. Die Kinder ersetzen jedes „dann“ durch passende Satzanfänge, füllen die Lücken mit geeigneten Adjektiven und beschreiben in Leerlinien, was Teddy in seiner Angst fühlt.
Zum Schluss lernen sie, die Umgebung des Waldes mit den Augen des Teddys zu sehen und werden dafür sensibilisiert, welche Geräusche oder Bilder dem Teddy Angst einflößen. Auch hier ordnen sie Satzteile vorgegebenen Satzausschnitten zu und probieren durch Variation der Anordnung die sinnvollste sprachliche Gestaltung des Textes aus.
Über die letzten Übungen trainieren die Kinder die Kombination von Angst einflößenden Sinneseindrücken mit den körperlichen Angstreaktionen auf diese Eindrücke. Sie werden dazu angeleitet, Sätze zu sammeln und anschließend miteinander zu kombinieren.
In ihrem dritten Aufsatz schreiben die Kinder frei. Eine Struktur erhalten sie durch die Vorgabe, maximal sieben Sätze zu schreiben, welche erzählen wie es dazu kommt, dass Teddy eine Nacht im Wald verbringen muss. Die Beschreibung seiner Not und Angst soll mindestens sechs Sätze umfassen. Für den Schluss sollen maximal fünf Sätze geschrieben werden. Damit möchte ich gewährleisten, dass die Geschichten der Kinder stringent aufgebaut sind, und dass sie die wesentlichen Elemente einer guten Erlebniserzählung im Blick behalten. In diesem Sinne achten die Kinder auf den Einsatz wechselnder Satzanfänge, passender Adjektive und Satzzeichen. Sie kombinieren Situationen, die Angst einflößen mit körperlichen Angstreaktionen und bauen so Spannung auf. Mit einem kurz formulieren Schluss lösen sie diese Spannung schließlich auf.
Meine Erfahrungen mit dieser Einführung in die Aufsatzerziehung:
Damit Kinder Angst beschreiben können, müssen sie sich an eigene Ängste erinnern. Wir haben in den letzten Wochen immer wieder Zeit gefunden, über Angsterlebnisse zu sprechen und diese zunehmend plastischer zu beschreiben. Wichtig war auch, dass die entstandenen Texte sehr häufig vorgelesen wurden. So wurden geeignete Redewendungen immer wieder gehört und verinnerlicht. Körperliche Angstreaktionen haben wir pantomimisch dargestellt, oder spielerisch wiederholt, indem ich die ersten Wörter der Sätze dieser Arbeitsblattsammlung genannt habe und die Kinder diese Sätze im Chor zu Ende sprachen.
Mein Herz – pochte immer schneller. Am ganzen Körper – bekam ich eine Gänsehaut….
Tatsächlich haben die Kinder viele der in dieser Arbeitsblattsammlung angebotenen Redewendungen verinnerlicht. Fasziniert habe ich beobachtet, dass bis auf zwei Ausnahmen 22 Kinder in ihrem Aufsatz den Satz „ Die Wölfe sangen ihr trauriges Lied“ eingebaut hatten. Meine Kinder haben tatsächlich hervorragende Aufsätze geschrieben. Ich bin nun wahnsinnig gespannt, ob sie ihre erworbenen Fähigkeiten auf einen neuen Sachverhalt transferieren können. Weg von unserem Teddy, hin zu einer neuen Erlebniserzählung.
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